Die 35. Bundesfachtagung der femak (Fachverband für Einkäufer, Materialwirtschaftler und Logistiker im Krankenhaus e.V.) fand am 13. und 14. März 2017 in Rotenburg statt. Das Motto der diesjährigen Tagung lautete "Kompetenzzentrum Krankenhauseinkauf - sozial, digital … Und wie geht es weiter?". Zwölf interessante Vorträge informierten über 160 Teilnehmer über aktuelle Trends und erfolgreich umgesetzte Projekte aus dem Krankenhaus-Einkauf.
Innere Qualität
Prof. Dr. Kuno Rechkemmer vom Stuttgarter CGIFOS Institut sieht für die Zukunft die "Innere Qualität" und das "Empowerment" als Megatrend in deutschen Kliniken. Innere Qualitätig bedeute die Qualität des Verhaltens der Beschäftigen gemessen an den Vorgaben zu Werthaltungen und Verhaltensweisen (Kundenorientierung, Wirtschaftlicher Umgang mit Ressourcen, Führung etc.). Eine gute Innere Qualität sei für die Qualität und den Erfolg von Kliniken von hoher, kaum zu überschätzender Relevanz. Selbst beste Strukturen und Prozessblaupausen nutzen wenig, wenn die Innere Qualität nicht stimmt. Das Konzept der Inneren Qualität führe zu einem neuen Verständnis der Qualität und damit auch des Managements von Organisationen. Das bislang vornehmlich auf die Äußere Qualität (Strukturen, Prozesse, Ergebnisse) konzentrierte Denken und Handeln wird um eine zweite Grunddimension erweitert – eben die Innere Qualität. Prof. Rechkemmers These ist, dass der Einkauf sich nur weiterentwickeln könne, wenn das Verhalten der Menschen gemessen und optimiert werde. Dadurch liese sich die Interne Qualität des Einkaufs verbessern. Die Verantwortungsträger im Einkauf werden nicht angemessen in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unterstützt. Herkömmliche Ansätze entsprechen nicht den Anforderungen, seien teils sogar fehlleitend und kontraproduktiv. Zum einen geht bei Innerer Qualität des Einkaufs um die Qualität der Zusammenarbeit und der Aufgabenerfüllung. Am Rande vielleicht auch um die Optimierung der Compliance und Minimierung von Betrug. Noch wichtiger erscheint Rechkemmer, dass es der Einkauf mit in der Hand hat, bisherige Fehlleitungen zu korrigieren. Ein Beispiel seien die Kosten für Kommunikationstrainings, Coachings, BGM-Massnahmen, Diversifizierungsmanagement, Soft-Fächer in der Aus- und Fortbildung. Wie wird der Return kontrolliert beziehungsweise gemessen? Hier könnte der Einkauf klare Vorgaben machen (Organisationsrichtlinie etc.).
Sein Ergebnis: Die Ziele werden trotz hohen Aufwands oft nicht erreicht. Hier setze das Konzept Management der Inneren Qualität an (MIQ). Die Interne Qualität sei zentrale Voraussetzung, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.
Antikorruption
Prof. Dr. Hendrik Schneider, Lehrstuhl für Strafrecht an der Universität Leipzig, stellte in seinem Vortrag über "Antikorruption im Gesundheitswesen" aktuelle Fallstricke im Einkauf vor. Der sogenannte "Sell out Rabatt" sei im Fokus einiger Staatsanwälte. Die Legalität des Sell out Rabattes wird derzeit hinterfagt. Die meisten Kliniken nutzen aktuell zwar diese Rabattform, zum Beispiel in dem sie bei bestimmen Lieferanten rückwirkende Vergütungen bei einer Überschreitung von definierten Absatzmengen am Jahresende erhalten. Zum Beispiel Grenzmenge von 1.000 Herzschrittmacher. Die Staatsanwaltschaften würden im Zuge der aktuellen Verschärfung der Compliance Regeln dieses Thema in den Fokus stellen. Einkäufer sollten darüber hinaus die Regeln der Vorteilsannahme strikt einhalten. Beispielsweise sollten bei Essenseinladungen durch Lieferanten die Rechnung den Wert von 60 Euro nicht überschreiten. Prof. Schneider berichtete, dass ihm aktuelle Fälle wegen Bestechlichkeit von Klinikeinkäufern nicht bekannt seien, gleichwohl einige Fälle von Bestechlichkeit durch Ärzte. In diesen Fällen sei die Vorteilsannahme aktiv von den Ärzten angetrieben worden. Die Industrie sei durch strikte interne Compliance Regeln seit geraumer Zeit unauffällig.
Big Data - IT versus Krankenhaus-Einkauf
IT- und Einkaufsmanager ticken unterschiedlich. Sie leben in zwei Welten. Während die IT über Server, Netzwerke und Datenbanken nachdenken, reden Einkäufer über Artikelstandardisierung und Artikelklassifikationen. Wie es dennoch gelingt beide Welten für das Unternehmen gewinnbringend zusammenzuführen demonstrierten Martin Merkel , Leiter Zentraler Einkauf bei der Management und Servicegesellschaft Chemnitz mbH MSG der edia.con-Gruppe, und Lars Forchheim, Abteilungsleiter IT und Organisation, eindrucksvoll. In den neun Einrichtungen der edia.con-Gruppe existieren derzeit 210 unterschiedliche Anwendungen. 2.400 Anwender werden von 15 IT-Mitarbeiter betreut. Alle Anwendungen müssten aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Im Krankenhaus-Einkauf stehen dabei für Merkel folgende Themen im Fokus ( --> siehe Chart Abbildung ganz unten). Zentraler Erfolgsfaktor für eine gelungene Zusammenarbeit zwischen IT und Einkauf sei laut Merkel und Forchheim das gegenseitige Verständnis und die ständige Kommunikation. Merkel arbeitet im Zentraleinkauf zum Beispiel mit der Klassifikation "Warengruppe plus" von Medical Columbus. Der konkurrierende branchenübergreifende Standard "eClass" sieht er für seine Einrichtungen in Kombination mit der GS1 als aktuell noch nicht geeignet an. Merkel arbeitet bereits mit zahlreichen digitalen Anwendungen im Einkauf, unter anderem mit den Lösungen von Snap, Amondis, Logbuch und Optimal Systems. Diese Lösungen seien durch die IT optimal in die vorhandene IT-Welt eingebunden worden. Der Einkauf könne sich nur digital transformieren, wenn die hausinterne IT frühzeitig im Projekt eingebunden würde.
Einkäufer müssen zukünftig Fokus auf Produkte zur Minimierung der Patientengefährdung legen
Jan Wunderlich, Referent Medizin/Qualität von der Krankhausgesellschaft Sachsen, skizzierte die aktuelle Entwicklung des Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG). Aktuell seien 10 Qualitätsindikatoren beschlossene Sache. Alle Indikatoren fokussieren die Vermeidung von Patientengefährdung. Deshalb müsse es Aufgabe des Einkaufs sein, mittels intelligenter Beschaffung einen Wertbeitrag zur Vermeidung von Patientengefährdungen zu schaffen. Ab 2018 werden Kliniken, die den Qualitätsansprüchen nicht genügen mit einem finanziellen Malus bestraft werden. In den USA sei dieses Vorgehen seit Obama Care gängige Praxis. Hierauf müssten sich die Einkäufer frühzeitig einstellen.
Barcodes sind die Zukunft
Wilfried E.B. Winzer, kaufmännischer Vorstand des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, stellte seinen Stand der Umsetzung im Bereich Barcodes vor. Im Dresdner Uniklinikum sind bereits fast alle Einkaufs- und Logistikprozesse mittels Barcodes optimiert, so Winzer. Auch setzen sie dabei auf den GS1 / 1world sync Standard. Die Barcodes dürften laut Winzer nicht nur Materialnummer oder Fallnummer oder Mitarbeiternummer oder Raumnummer tragen, sondern auch Informationen wofür sie stehen. Nur so könne man verschiedene Barcodeinformationen miteinander kombinieren und sie gäben einen medizinisch betriebswirtschaftlichen Sinn. Dies sei möglich mit dem GS1 Datenbezeichnerkonzept.
Einkäufer müssen sich mehr fortbilden
Ralf Bannwarth, Leiter Einkauf und Materialwirtschaft- Alb Fils Kliniken GmbH Göppingen, will die Kompetenz der Einkäufer stärken. Um die zukünftigen Herausforderungen des Einkaufs zu meistern, müsse der Einkauf mehr Wissen aufbauen und zum "Kompetenzzentrum Einkauf" werden. In seinem Haus der Maximalversorgung erstelle er einen jährlichen Fortbildungsplan. Dieser sei abgestimmt auf die im selben Jahr gesteckten Ziele des Einkaufs. Wolle man zum Beispiel den Produktbereich Hüftendoprothetik neu vorhandeln, müsse man sich und seine Abteilung durch Wissensaufbau entsprechend vorbereiten. Der Fortbildungsbedarf werde zunächst analysiert und bewertet. Danach eine passende Fortbildungsmaßnahme identifiziert. Die Weiterbildungsschwerpunkte sieht Bannwarth in den Bereichen Projektmanagement, IT und medizinisches Wissen. Teure Schulungen könnten vermieden werden, wenn Angebote von Einkaufsgemeinschaften, Lieferanten oder e-learning Portalen genutzt werden würden.
Best Practice - Erfolgreiche Projektarbeit
Kathy Vetter, Geschäftsführerin Vivantes Service GmbH Berlin, stellte anhand von zwei Projekten die Erfolgsfaktoren im Projektmanagement vor. Wichtigster Erfolgsfaktor sei laut Vetter eine gute und ständige Kommunikation mit allen Projektbeteiligten. Akzeptanzprobleme von Projektstart bis Projektumsetzungen seien völlig normal. Wichtig sei nur, wie die Menschen damit umgingen. Vetter skizzierte ihr Vorgehen anhand von zwei realisierten Projekten: "Aufbau und Einführung einer Investitionsdatenbank mit Anforderungssystem" und "Reorganisation Wäscheversorgung VivanTex". Neben Akzeptanzproblemen traten Probleme im Bereich technische Umsetzung, Personal und Prozessumstellung auf. So musste in 2016 das Ausgabeschranksystem komplett ausgetauscht werden. Der Anbieter könnte das Qualitätsversprechen nicht einhalten. Durch das Chipen der Kaufwäsche konnte der hohe Schwundanteil von knapp 40% identifiziert werden (Kosten von 2 Mio. Euro pro Jahr). Daraufhin wurden acht Maßnahmen zur Schwundminimierung umgesetzt, zum Beispiel die Ausgabe von Schwundtabellen im Detailgrad "Nutzerebene" oder die Rückführung der Wäsche aus Pflegeeinrichtungen berlinweit. Große Unterstützung erhielt Vetter während des Projekts durch die Vivantes interne Abteilung "Changemanagement". Durch die gute Kommunikation, das ständige Akzeptanzmanagement, gegensteuernde Maßnahmen und das Changemanagement konnten beide Projekte erfolgreich abgeschlossen werden. Die Akzeptanz und Kundenzufriedenheit steigt kontinuierlich. Trotz stetig steigender Marktpreise im Bereich des "Textilservice" könne VivanTex das Preisniveau von 2010 auf für die Jahre 2017 bis 2020 garantieren.
Fazit und Ausblick
In einer abschließenden Podiumsdiskussion wurde ein Ausblick über die Themen der Zukunft gegeben:
- Digitalisierung ist Treiber
- Einkaufsgemeinschaften werden immer wichtiger, gerade zur Umsetzung der Digitalisierung .
- Die Kommunikation zwischen Menschen steht dabei weiterhin im Vordergrund.
- Einkaufsleiter dürfen den Puls der Zeit nicht verpassen und sich mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzen.
- Junge, motivierte Menschen steigen in den Einkaufsbereich ein. Diese verfügen über eine hohe digitale Kompetenz (digitale Natives).
- Bevor eine Digitalisierung erfolgen kann, müssen vorhandene technische Möglichkeiten zunächst einmal optimal ausgeschöpft werden.
- Der Einkäufer wird zum Produkt - und Projektmanager.
- Die femak fördert den Wissensaufbau und Wissensaustausch seiner Mitglieder als zentralen Erfolgsfaktor, um zukünftige Herausforderungen im Krankenhaus-Einkauf zu meistern.
Die Tagung wurde begleitet durch eine Lieferantenmesse bei der sich die Einkäufer über aktuelle Innovationen der Klinik-Lieferanten und Dienstleister informieren konnten.
Die nächste Bundesfachtagung findet am 12./13. März 2018 statt (Ort noch unklar).
Mehr Informationen erhalten Sie auf der femak Homepage www.femak.de
Bilder der Veranstaltung finden Sie unter: https://m.facebook.com/pg/online.femak/photos/?tab=album&album_id=619659478238107
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